Mahnung an die junge Generation

Holocaust-Überlebende und Zeitzeugin halten Erinnerung wach

KELKHEIM.- Eva Szepesi (84) liest aus ihrer Biografie vor. Zunächst erlebt sie eine glückliche Kindheit als Jüdin in Ungarn, dann muss sie fliehen. Mutter und Bruder bleiben zurück, der Vater wurde zum Wehrdienst gerufen. Schließlich landet sie, nach vielen Stationen in der Slowakei und in Ungarn, im Alter von zwölf Jahren im Konzentrationslager in Auschwitz. Dort überlebt sie, vom Todesmarsch verschont. Während sie ihre Geschichte vorliest, hören die Schüler gespannt zu. Alles ist ruhig im Klassenraum der Eichendorff-Schule in Kelkheim. Eva Szepesi ist eine von zwei Zeitzeuginnen, die am Mittwoch, 18. Januar, in der Schule zu Gast sind.

Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und die Katholische Fachstelle für Jugendarbeit im Taunus (KFJ Taunus) haben das Zeitzeugengespräch organisiert. Es geht darum, dass die Jugendlichen, allesamt Schüler der Oberstufe, Einblicke in die Zeit des Nationalsozialismus bekommen und sich darüber austauschen. Gleichzeitig können die Schüler ihre Fragen an Menschen stellen, die diese Zeit selbst miterlebt haben. Sie fragen beispielsweise nach der Nummer, die Eva Szepesi in Auschwitz auf den Arm tätowiert bekommen hat oder warum sie sich bei der Registration im KZ im Alter von zwölf Jahren als 16-Jährige ausgegeben hat. „Mit 16 kann man arbeiten. Die Aufseherin sagte mir, ich soll das sagen. Die Jüngeren hat man einfach ins Gas geschickt“, sagt Szepesi.

Erinnerungen und Papier

Die 81-jährige Inge Geiler hat nur wenige Erinnerungen an die Zeit im Krieg. Sie erzählt von Bomben, die in Frankfurt einschlugen und von einem Spaziergang auf der Straße mit ihrer Mutter, bei dem ihnen eine Frau mit einem Kind entgegen kam. Beide hatten einen Judenstern an ihrer Kleidung. „Da habe ich meine Mutter gefragt: Was haben die für komische Broschen an den Mänteln? Und meine Mutter hat geantwortet: Kind, das sind ganz arme Leute. Das erkläre ich dir mal später“, sagt Inge Geiler. „Ich war noch zu klein, um das zu verstehen. Und später habe ich nicht mehr nachgefragt.“

Sie erzählt auch von Briefen und Dokumenten, die sie durch Zufall in ihrer Wohnung im Frankfurter Westend gefunden hat. „Im Sommer 1986 wollte mein Mann ein Fernsehkabel verlegen lassen und die Handwerker kamen nicht durch die eine Wand. Da sei Papier drin. Zwischen Parkett und Wandverkleidung war ein kleiner Spalt. Ich konnte einen Teil einer Zahlkarte sehen, auf der stand: Leute, ich bin ja so unglücklich. Wäre ich nicht zur Welt gekommen.“

Inge Geiler öffnet die Wandverkleidung und nimmt die Fensterbank ab. Zum Vorschein kommen 44 alte Briefe, teilweise in Sütterlin-Schrift geschrieben, Bankunterlagen und sechs jüdische Zeitungen von 1941 und 1942, die zur Bekanntmachung der Gesetze der Gestapo gedruckt worden waren. Diese Unterlagen hat Inge Geiler aufgehoben und zusammengepackt. Im Jahr 2007 hat sie sich an die Recherche und die Sichtung gewagt und ein Buch über die jüdische Familie geschrieben, die vorher in ihrer Wohnung gelebt hat.

Die Motivation der Zeitzeuginnen

„Ich denke an die vielen unschuldigen Menschen, die gestorben sind. Und auch an meine Mutter und meinen Bruder. Ich bin es meiner Familie schuldig, dass ich es erzähle“, beschreibt Eva Szepesi ihre Motivation als Zeitzeugin zu sprechen. Dazu fährt sie unter anderem jedes Jahr nach Hamburg und erzählt Schülern ihre Geschichte. „Das ist die nächste Generation. Viele können sich nicht vorstellen, wie es war. Aber wenn Zeitzeugen es erzählen, ist es authentisch und glaubhaft.“

„Ich erzähle meine Geschichte, weil ich finde, dass wir, die Zeitzeugen, aussterben. Und weil es wenig Gelegenheiten gibt, es zu erzählen und man darf die Vergangenheit nicht vergessen“, sagt Inge Geiler. „Wenn die Jugendlichen nichts wissen, können sie nicht sehen, was sich entwickelt. Wie soll ein Mensch vernünftig denken, wenn er nichts weiß?“

In die Zukunft schauen beide mit Bedenken. „Das macht mich sehr sehr traurig, dass die Menschen noch immer nichts gelernt haben“, sagt Eva Szepesi. (fes)

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